Predigt Mai 2011

Queergottesdienst am 15.05.2011

Predigt zur Schriftstelle Lukas 24, 13-35

Heute Abend wollen wollen wir keine große Wanderung machen, also keine Angst, Emmaus ist gar nicht weit weg von hier. Aber ich verspreche Euch, wenn Ihr Euch auf diesen Weg einlassen könnt, werden vielen von Euch die Augen aufgehen und vielleicht auch die Herzen brennen, wenn die Sehnsucht erkannt wird bzw. so dass wir erkennen können.

Kommt lasst uns nach Emmaus aufbrechen, um Mut und Kraft für unseren queeren Alltag zu tanken.

Vor einigen Jahren war ich bei einem älteren Freundespaar aus der Berliner HuK zu einem Fest geladen. Das Freundespaar wollte im Kreis ihrer Freunde und vor Gott, ihre 30jährige Beziehungsgeschichte feiern. Als Predigttext wünschten sich die beiden die Emmausgeschichte nach Lukas, die wir soeben auch gehört haben und erzählten uns als Festgemeinde, dass diese Bibelgeschichte ihre Beziehungsgeschichte in den 30 Jahren ihrer Beziehung wurde. Ohne diesen Text aus dem Lukasevangelium, so die beiden, hätten sie in den 30 Jahren nie die Kraft und den Mut gehabt, ihre Beziehung zu leben und zu meistern. Ich war total berührt und seitdem ist diese Bibelstelle zur wichtigsten Stelle in meinem spirituellen Leben geworden.

Vielleicht hat auch mein Herz gebrannt, von der Lebens- und Liebesgeschichte der beiden, als die beiden ihre gemeinsame Lebensvision erzählten und wie ihre Liebe gelang.

Da erkannte ich und mir gingen die Augen auf und plötzlich war queeres Leben für mich so einfach zu leben. Die beiden haben sich in ihrer Liebe aufeinander eingelassen und wussten sich auch in ihrer spirituellen Lebensweise getragen, von Gott und dem Menschen angenommen. Hier geht es auch weniger um die Frage, ob und wie die beiden ihre Liebe lebten und ob sie ihre Beziehung zueinander monogam gestalteten. Hier geht es um mehr!

Wir wissen glaub ich alle nur zu gut, welche vielfältigen Herausforderungen unsere vielfältigen Beziehungen zu bestehen haben und wie zickig wir nur so oft uns gegenüber unseren Partner und Freunden uns verhalten. Im Übrigen kein Alleinstellungsmerkmal von uns Queers, wenn ich da an meine Heten in Beruf und Freizeit denke :--))

Man muss am Leben rütteln, sonst nagt es an einem, so ein altes Sprichwort  oder anders ausgedrückt, wie viele Karfreitage haben wir nicht alle in unserem queeren Leben bereits durchlebt und durchzittert? Wie oft haben wir uns depressiv in unser queeres Schneckenhaus zurückgezogen und geschmollt, kennen wir alle und da liegt auch m.E. den Unterschied zu unseren Heten Freunden, dass wir schon in relativ jungen Jahren den einen oder anderen Karfreitag durchlebten und durchzitterten. Und für viele von uns ist kämpfen nicht nur ein Wort, sondern eine Tatsache, die viele von uns nicht selten seit ihrer Geburt durch ihr Leben begleiten.

Diese Karfreitagserfahrungen sind nicht neu und auch die Jünger Jesu erlebten sie. Ihre Hoffnung, für die sie gekämpft haben, wozu sie ihr Herzblut einsetzten, hing nun am Kreuz. Ich glaube, dass kennen wir alle nur zu gut und erinnere hier an unser Anspiel zu Beginn dieses Gottesdienstes.

Lasst uns die vielen Karfreitagen in unseren Leben nochmal vergegenwärtigen. Wir wollen hier auch an unsere eigene Homophobie denken, wir schwer wir uns selbst oft machen, wo unser eigenes queeres Leben uns zeitweise misslingt und uns am „guten Leben“ hindert.

Hier denke ich an den jungen Mann, dessen große Lebenssehnsucht es ist, einen treuen Freund zu finden, ihn aber im „Pranger“ (für nicht Nürnberger ist der Pranger eine bekannte Darkroomkneipe) oder in der Sauna 67 (älteste schwule Sauna in Nürnberg)  nicht findet. Seine Sehnsucht ist so groß, dass er depressiv wird.

Ich denke an die vielen querren Frauen und Männer, deren Vorbilder zum querren Leben fehlen. Das Eingestehen „ich bin queer und hurra“ reicht allein noch nicht aus zum gelingendem queeren Leben.

Ich denke, die Liste unsere eigenen Karfreitage lässt sich noch verlängern, wir wollen später in der Stille des gemeinsamen Mahles auch unseren persönlichen Karfreitagen gedenken.

Was meine ich nun mit dem Begriff „gelingendes Leben“?

Es geht um die Erfahrung, für die ich kein anderes Wort finden kann als das Überschwängliche vom „gelingenden Leben“. In unseren besten Augenblicken, wenn vor lauter Gelingen auch das energische Tun im Lassen aufgeht und die Rhythmik des Lebendigen spontan uns trägt, kann sich der Mut melden wie eine euphorische Klarheit oder ein wunderbar gelassener Ernst. Er weckt ins uns die Gegenwart. Schlechte Erfahrungen weichen zurück vor den neuen Gelegenheiten. Keine Geschichte macht dich alt. Die Lieblosigkeiten von Gestern zwingen zu nichts. Im Lichte solcher Geistesgegenwart ist der Bann der Wiederholung gebrochen. Jede bewusste Sekunde tilgt das hoffnungslose Gewesene und wird zur ersten einer anderen Geschichte.

Aber gehen wir gedanklich noch nicht so schnell zu Ostern und zur Auferstehung weiter. Ohne Trauerphase, ohne Abschiednehmen (und das braucht Zeit) kann nicht wirklich neues Leben gelingen. Ohne Karfreitag, ohne Jesu Leiden findet kein Ostern, findet keine Auferstehung statt. Ohne Loslassen, kein Neubeginn oder wie eben bereits zitiert:“man muss am Leben rütteln, sonst nagt es an einem“.

Und manche Karfreitage in unserem Leben sind dann im Rückblick gar nicht mehr so schlimm, so bedrohlich, wenn „der tiefere Sinn am Karfreitag“ in unserem Leben verstanden wird. Wir kennen dies alle, inbes. wenn wir Vergangenheit verklären „früher, ja früher war alles besser, wirklich?“ Und als ich eben im Zwiegespräch mit Marco und Tim von meinem eigenen Coming Out als schwuler Mann Euch erzählte, merkte ich, wie gelingend mein eigenes queeres Leben, mit all den durchlebten und durchzitterten Karfreitagen, sich zwischenzeitlich entwickelt hat.

Sozusagen hat unser inneres Coming Out, der innere Prozess in unserem Leben sehr viel mit Auferstehung und Ostern und auch „nach Emmaus gehen“ zu tun. Coming Out – Auferstehung aus erstarrten Verhaltensmustern, Auferstehung zum persönlichen Ostern. So gesehen ist unser Coming Out in sich nie abgeschlossen, wir werden noch sehr oft nach Emmaus gehen um unsere Herzenssehnsucht zu suchen. Und so gesehen, machen uns dann unsere Emmauswege auch gar nicht mehr so viel Angst. „Man muss das Leben nach vorne leben, letztlich verstehen muss man das Leben in der Rückschau unseres Lebens.

Und ohne die Tränen hätte die Seele keine Regenbogen. Der Regenbogen ist unser queeres Symbol, so queer und bunt wie unser Leben eben ist.

Ich wünsche uns allen, dass unser queeres Leben genau diese Vielfalt und Buntheit des Regenbogens ausstrahlt und das die Welt uns erkennt.

Die Jünger Jesu in Emmaus drängten geradezu Jesus, bestimmt en die Situation mit, indem sie sagten: Herr, bleibe bei uns, denn der Tag hat sich geneigt“ und Jesu bleibt.

Und gerade hier beginnt bei den Jüngern der innere Prozess und sie erkannten Jesus, als er das Brot brach. In den einfachen Gaben von Brot und Wein beginnt auch bei uns dieser Prozess und wir kommen so unserer Lebenssehnsucht wieder etwas näher. Unser Leben aus einer Tiefe heraus zu leben, indem wir mit Gott, mit unseren Mitmenschen und schließlich auch mit uns versöhnt leben. Eben österliche Menschen und  das wir als österliche Menschen erkannt werden. Nicht um des lieben Friedenswillens die vielen Karfreitage klein reden, sondern als österliche Menschen bekennen, dass das Leben den Tod auch in unserem queeren Leben besiegt hat. Nicht ja und amen um des lieben Friedens willen, sondern laut und stark Halleluja! Ein österliches Halleluja!

Das ist die Spiritualität, aus der heraus wir unser queeres Leben vor Gott und den Menschen leben. Der innere Prozess bedeutet für uns heute, uns spirituell von unserem Konfirmanden- und Kommunionglauben zu lösen (so schön sind die Erinnerungen auch nicht immer gewesen), wie ein „Lockruf“ wirkt dieser Text aus dem Evangelium auf mich, auch spirituell alte Wege zu verlassen, um neue zu entdecken und das wir die Stationen nicht mit dem Ziel verwechseln, geht Jesus auf diesem Weg mit uns. Jesus will für uns unsere Weg nie eng halten, sondern uns Weite ermöglichen, er zeigt uns viele Lebenswege auf und respektiert unsere Entscheidungen, wenn wir uns mal anders entscheiden und begleitet uns auch auf unseren Umwegen.

Ich glaube nicht, dass queere Menschen neurotischer oder sonst wie kranker sind als Heterosexuelle, sie sind nur anders neurotisch oder anders krank und haben vor allem andere Entwicklungschancen und –kompetenzen und –potentiale, sofern sie sich trauen, diese zu leben anstatt die Heten in ihren Lebensmodelle  zu kopieren und nach zu eifern.

Denn hinter Angst, Scham, Schuld und Minderwertigkeit befrachteten abgelehnten Persönlichkeitsaspekten liegt die eigene Lebendigkeit verschüttet, welches es lustvoll zu entdecken und zu befreien sich über aus lohnt. Nicht ja und amen, sondern Halleluja! Ostern muss erfahrbar und erlebbar werden und nicht nur mit dem Verstand, sondern gerade mit Herz und Gefühl, dass Sehnsucht erfahrbar wird.

Denn, brannte nicht unser Herz, als wir Jesus erkannten und gespürt haben…

Für mich als Katholiken ist im röm. Katechismus die Rede von der „Sonntagspflicht“ am Sonntag einen Gottesdienst zu besuchen, die ich nie verstanden habe. Für mich ist es geradezu eine Lust, mich sonntags mit anderen auf den Weg nach Emmaus zu machen. Und die Lust ist noch viel größer, wenn ich den Weg jeden dritten Sonntag im Monat mit Euch machen kann, um Kraft und Mut für mein Leben zu erbitten und zu erhoffen. Letztlich in der Gewissheit, dass unser queeres Leben von Gott genau so gewollt ist.

Und gerade deswegen ist es wichtig, dass auch in Zukunft sich hier in dieser Kirche sich queere Menschen zum Gebet und zum Gottesdienst versammeln. Die Form und das Wie sind hier da eher zweitrangig. Dies wünsche ich unserer Queergemeinde.

Wenn wir uns nun um den Altar versammeln, Brot und Wein miteinander teilen. Ein Bissen Brot, ein Schluck Wein kann unser Leben immer wieder auf das Wesentliche in unserem Leben ausrichten und verpflichtet uns zur Liebe untereinander. So erleben wir in unseren Gottesdiensten unsere ganz persönlichen Emmauswege und Auferstehung aus oftmals erstarrten Lebenssituationen.

In den einfachen Gaben von Brot und Wein zeigt sich unsere gesamte Spiritualität zum Gelingen unseres Lebens. Nicht mehr und nicht weniger! Und das Spiritualität kein theoretisches Wort und hinterfragen bleibt, sind die einfachen Gaben auch voll und ganz ausreichen.

Ein größeres Geschenk hätte uns Jesus zu Ostern nicht geben können, gut dass wir an diese Kraft in unserem Leben glauben können.

Da brannte nicht unser Herz, als wir ihm beim Brot brechen erkannten.

Und, wenn wir gleich am Altar als Gemeinde versammelt sind, der die Mitte unseres spirituellen Lebens darstellt, bekennen wir im Gebet:

„dies kleine Stück Brot in unseren Händen reicht aus für alle Menschen. Du verwandelst das Brot in Jesus Leib. Du verwandelst den Wein in Jesus Blut. Du verwandelst den Tod in Auferstehn, verwandele Du auch uns.“

Komm, lasst uns nun nach Emmaus gehen und unsere Sehnsucht nach guten Leben suchen und hoffentlich auch finden. Auferstehung feiern, um Mut und Kraft zum Gelingen unseres queeren Lebens zu tanken.

Und der Friede Gottes, der viel größer ist als all unser menschliches Verstehen und unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Amen.