Predigt März 2007

Queergottesdienst am Sonntag, den 18. März 2007
von Bernd Held

Predigttext: Joh. 6, 47-51

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben.
Ich bin das Brot des Lebens.
Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben.
Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe.
Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist.
Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.
Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.
Johannes- Ev. 6: 47- 51 n. Luther

Mitten in unsere asketischen Ansinnen hinein die Passionszeit „7 Wochen ohne“ zu gestalten und auf etwas zu verzichten, mischt sich dreist unser Predigttext und Jesu Rede vom Brot.

Wer von uns schon einmal versucht hat zu Fasten und die Gedanken zusammeln, der oder die kennt es vielleicht sehr gut. Es ist eine unserer menschlichen Seiten, dass sich die Gedanken und Inhalte gerade dann immer wieder in den Vordergrund schieben, wenn wir sie verdrängen und einen großen Bogen um sie machen wollen: Wer Hunger hat und durch die Stadt geht, wird jede Bratwurstbude umso bewusster wahrnehmen!

Und Jesus stellt/ führt/treibt uns mit dem Predigttext noch tiefer in den Widerspruch hinein, denn wir bereiten uns auf Karfreitag vor und Jesus geht hinauf nach Jerusalem, wo er sterben wird, und doch proklamiert er: Ich bin das Brot des Lebens! und er verkündet: wer dieses Brot isst, dem wird es zum ewigen Leben. Wir aber werden doch zunächst mit seinem bitteren Tod konfrontiert.

Was will dieser Text von uns? Wozu diese steilen Worte des Johannesevangeliums?

Ich möchte mich mit euch heute den zwei Fragen stellen:

Was ist das „Brot des Lebens“ für uns und wie ist Jesus dieses Brot, und dann:
was ist „ewiges Leben“?

Habt ihr noch den Anfang des Johannesevangeliums im Ohr? Es beginnt mit den Worten: „Im Anfang war das Wort, die Weisheit, und sie war bei Gott, und das Wort, die Weisheit, wurde Fleisch, Materie und wohnte unter uns und wir haben ihren Glanz gesehen...“. ( Joh 1: 1-2 u. 14 paraphrasiert Bibel in gerechter Sprache)

Das ganze Johannesevangelium ist mit seinen hymnischen Worten sehr bemüht darum, uns von der Gottheit dieses Menschen Jesus zu überzeugen. Und dann begegnen wir im Johannesevangelium immer wieder diesen Selbstaussagen Jesu, den Ich- bin- Worten.

„Ich- bin- da“, das ist der alttestamentliche Name Gottes. Ich- bin- da, die Eine, die Lebendige, die Ewige! Und es fasziniert mich, dass Jesus bei Johannes dieses Ich- bin- da in solche vertrauten und gewöhnliche Beziehungen stellt und übersetzt wie die vom Brot, das uns jeden Tag nährt und am Leben erhält. Hier wird Gott runtergeholt mitten in unseren Alltag und das Brot zum Leben betrifft uns existentiell.

In unserer Einen Welt gibt es viele Menschen, die auf ihr täglich Brot vergeblich warten, denn unsere Güter sind in dieser Einen Welt ungerecht verteilt und die Naturkatastrophen tun das Ihrige dazu.

In unserer Gesellschaft gibt es Menschen, die hungern sich jeden Bissen Brot vom Leib, weil sie ihren Körper nicht annehmen können und das, was die Gesellschaft ihnen als Rollen zuschreibt.

In unserer Umwelt gibt es Menschen, die macht das Brot und das Essen krank, weil die Natur vergiftet und das Leben dem natürlichen Ursprung entfremdet ist.

Und schließlich trifft uns alle das Wort Jesu vom „Brot des Lebens“ ganz persönlich, wo wir an die Grenzen unseres eigenen Lebens und an unsere Endlichkeiten stoßen, wo wir uns der Frage gegenüber sehen, was uns im Leben und im Sterben trägt.

Nirgendwo anders wird die Verneinung und die Kränkung des Lebens so deutlich wie im Tod. Was aber hält uns aufrecht, wo die Lebenschancen immer dünner werden? Mich der eigenen Endlichkeit zu stellen schreckt mich. Was lässt mich einmal meine letzte Hürde sicher nehmen? Wie kann Jesus dann das „Brot des Lebens“ sein?

Ich möchte zunächst das Bild vom Brot aufgreifen.

Ich glaube nicht, dass Jesus das Brot vom Leben in einem magischen Sinne ist, das wir beim Abendmahl verzehren und welches dann mit zauberhafter Formel in uns wirkt und Leben in einem übernatürlichem Sinn erzeugt.

Das tägliche Brot als Nahrungsmittel ist nur dann für uns Menschen hilfreich, wenn wir es nicht nur besitzen, sondern wenn wir es anschneiden, es teilen und essen.

Unser Glaube, alle theoretischen Erkenntnisse und Lehrmeinungen können uns als eine Art geistiger oder religiöser Besitz nicht retten.

Glauben im biblischen Sinne ist ein Tat- Wort. Der Glaube, wenn er eine Bedeutung haben will, muss gelebt werden. So wie Jesus, der am Leben in seiner Welt teilnahm, der sein Leben in den vielen Begegnungen teilte und der sich nicht zurückhielt.

Der nicht krampfhaft an seinem Leben festhielt, als sei es ein kostbarer Raub, der ein anderer ihm streitig machen könnte. (Phil 2: 6-7)

Jesus teilte sein Leben so wie das Brot beim gemeinsamen Mahl. Er teilte das Leben bis zum letzten Atemzug. Ob Jesus sich sein Ende so vorgestellt hatte? So dramatisch, so brutal, wie es dann alles geschah? Gewiss ist, dass Jesus die Zeichen der Zeit lesen konnte. Und mit seiner Hingabe an das Leben war auch sein Tod nicht daraus verdrängt. Er gab sein Leben hin.

Nicht im Besitzen, nicht im Beherrschen, sondern in der Begegnung findet das Leben statt. In dieser Begegnung durch Jesus erfahren wir etwas von Gott, vom Brot, das vom Himmel kommt. Hier ist das Leben in seiner Fülle da- auch dort, wo wir vielleicht zuerst nur die Grenzen sehen.

Jesus, das Brot des Lebens zu essen, das könnte bedeuten, sich von Jesu Art zu leben anstecken zu lassen.

Jesus sagt bei Lukas Kap. 17, wer das Leben gewinnen und die Erfüllung mit allen Mitteln machen, durchsetzten will, der oder die wird’s verlieren.

Der oder die nimmt dem Leben alle Chancen, dass es sich ereignen kann und dass es an Tiefe und Bedeutung gewinnen kann, weil es die eigene kleine beschränkte Macht, unsere Ängstlichkeit und Kontrollsucht am Ende doch nicht zulassen werden.

Jesu Art zu leben lädt ein zur Offenheit und zum Vertrauen auf seinen Gott. Im Vertrauen auf den Gott Jesu Christi kann er das Leben zulassen, dem Leben begegnen und schließlich auch das Leben los- lassen.

Er gibt sein Leben bis in den Tod und bleibt sogar mitten in der Ohnmacht und dem Ausgeliefertsein einer, der mitgestaltet.

Das Brot des Lebens zu essen und zu teilen, sich mit dem Leben Jesu auseinander zusetzen und sich so darauf einzulassen, dass es ein Teil unserer eigenen Art zu leben und zu einer Grundlage unserer eigenen Existenz wird, das könnte bedeuten, in der Begegnung zu leben mit Gott und der Welt. Gemeinschaftlich, solidarisch.

Jesus lebte diese Begegnung Gottes. Und wir entdecken in ihm den Liebhaber des Lebens, der die Feste feiert, der die konventionellen Zuschreibungen und Scheinsicherheiten auflöst und mit den Zöllnern und Prostituierten Freund ist, der die Aussätzigen und Randgruppen wieder ins Boot holt und der den Fiebernden lindernd und heilend die Hand auf die heiße Stirn legt.

Dieses Brot des Lebens in unserem Alltag zu kauen, das könnte für uns bedeuten in eine neue und befreite Identität hineinzuwachsen!

Das ewige Leben aber, ist es nur eine endlose Aneinaderkettung von Tagen und Lebenszeit, die Verleugnung unserer eigenen Endlichkeit, ein infantiles, kindliches Omnipotenzstreben, weil wir es nicht ertragen können, weil wir uns oft klein, so abhängig und ausgeliefert fühlen?

Oder ist das ewige Leben ein Leben mit einer neuen Qualität, das über die eigene Endlichkeit hinausreicht weil es ein von Gott umfangenes Leben ist?

Ein ewiges Leben- findet es nur jenseits unseres Todes statt?

Oder muss es nicht gerade jetzt, heute sich ereignen, weil wir in unserem Glauben und Hoffen und in unserem Handeln schon Ewigkeit atmen und das verwirklichen und lebendig werden lassen, was über unsere eigene Begrenztheit hinaus Bestand hat?

Können wir in dem Glauben an Jesu Möglichkeiten über unsere eigenen engen Schranken hinauswachsen?

Wenn wir gemeinsam Abendmahl feiern, dann sind wir hier mit unseren unterschiedlichen Prägungen und Erfahrungen, mit Enttäuschungen, auch mit unseren Verletzungen und mit den Hoffnungen und Wünschen. Was macht uns satt am Tisch Jesu?

Im Abendmahl denken wir an Jesus, der sein Leben teilt und der sein Leben mit Hingabe an diese Welt lebt bis zum letzten Atemzug.

Das Brot teilen: üben wir damit nicht exemplarisch ein, wovon unser ganzes Leben durchdrungen sein soll?

Im Abendmahl feiern wir die Gemeinschaft, in die wir alle hineingenommen sind als Teile von dem einen großen Brot und dem Leib, der die Gemeinschaft und die Kirche Jesu ist. Wir reichen einander das Brot und feiern die Annahme untereinander, so wie Christus uns angenommen hat.

So wie er uns angenommen hat, so werden wir gewiss seiner Vergebung und der Barmherzigkeit Gottes.

Wir bekommen einen neuen Blick für unsere Zukunft geöffnet, denn in seiner Annahme und in seinem Mahl feiern wir seine Gegenwart und seine neue Welt, auf die wir hoffen, in der allen Menschen und aller Kreatur seine Gerechtigkeit und Erlösung widerfährt, weil er mit seinem neuen Leben mitten unter uns ist.

Jesus- das Brot des Lebens: Kein klebrig süßer Kuchen, sondern ein Brot, an dem wir manchmal auch kauen müssen.

Ein Leben, das satt macht, nicht mit Bedürfnissteigerung und der schnellen Befriedigung, die wieder neue Bedürfnisse weckt.

Ein Leben, das in sich selbst genug hat, auch noch im Teilen und im Loslassen. Das über sich selbst hinausreicht in Gottes Ewigkeit.

Dort sind wir im tiefsten Grunde unseres Seins geborgen und bejaht.

Darauf möchte ich vertrauen. Daran möchte ich teilhaben. Mit der letzten Faser meiner Existenz möchte ich mich dort festmachen, das Leben und das Sterben.

Kommt, Männer und Frauen aus Gottes bunter, weiter Welt, lasst uns heute schon in diesem ewigen Leben stehen.

Amen