Predigt Mai 2008

Queergottesdienst am 18. Mai 2008

 

 

Predigt zu 2 Kor 13, 11- 13

Liebe Queergemeinde,

ich bin seit meiner Kindheit ein leidenschaftlicher Radiohörer. Neben der Faszination des Radiomachens, habe ich mich früher auch immer gefragt, wie denn der Mann oder die Frau hinter dem Mikrofon da aussehen mag, was ist das für ein Mensch ? Und dann habe ich mir von der Stimme her immer ein Bild gemacht. Hin und wieder ist es dann auch passiert, dass ich bei diversen Liveveranstaltungen des Senders dann auf den Moderator oder die Moderatorin gestossen bin. Und  wen überrascht es , dass mein Bild  mit dem, was mir dann leibhaftig gegenüberstand in den seltensten Fällen übereinstimmte. Da kam es zu Äußerungen wie : „Oh je, so dick hab ich mir den nicht vorgestellt“ oder „Von der Stimme her hätte der doch jünger sein müssen“ . Im Internetzeitalter von heute ist sowas natürlich kein Problem mehr. Ein Klick auf die Homepage des Senders und man kann sich die Gesichter anschauen oder sogar ihnen via Webcam live bei der Sendung zusehen. Vor 20 Jahren war das noch nicht so einfach.

Sich ein Bild von jemanden machen, den man nur von der Stimme oder von diversen Eigenschaften her kennt, den man aber noch nie gesehen hat. Eine schwierige Aufgabe, die selten funktioniert.

Und jetzt stehen wir heute am Fest Trinitatis ausgerechnet vor solch einer Aufgabe: Im Mittelpunkt steht Gott. Ein Gott in drei Wesensausführungen, aber nur in einer Person. Zumindest ist das die klassische christliche Vorstellung. Ein Bekenntnis, das sich schon sehr früh in der Urkirche heraus geprägt hat, wie wir am heutigen Predigttext sehen. Im Schluss des zweiten Korintherbriefes, den der Apostel Paulus um das Jahr 55 geschrieben hat, finden wir eines der ältesten Zeugnisse des dreifaltigen Gottes : Vater, Sohn und heiliger Geist.

Eine schwierige Formel, die wir da heute feiern. Das Fest der heiligen Dreifaltigkeit. Kann man so etwas überhaupt feiern – eine theologische Lehre, mit der auch die meisten Christen nicht viel anfangen können? Genügt es nicht zu wissen, dass es nur einen einzigen Gott gibt, der alles trägt und hält? Warum kann man das Geheimnis Gottes nicht als Geheimnis bestehen lassen? Kann man das Innere Gottes überhaupt erforschen, wie das Theologen gerne tun? Entspringt ein solches Unterfangen nicht der menschlichen Hybris? Fragen über Fragen, so vielfältig wie die Fragen , die wir zu Beginn des Gottesdienstes gehört haben. Fragen, die unser Gottesbild und das von anderen Menschen hinterfragt haben. Wer ist dieser Gott, an den wir, ja an den DU glaubst ?

Ein orthodoxer Rabbi wurde einmal gefragt, wie sich denn die Juden Gott vorgestellen. Zur großen Überraschung aller antwortete er , das könne jeder Jude so halten wie er wolle. Es gäbe keine jüdische Dogmatik und auch keinen jüdischen Katechismus wie bei den Christen. Jeder Jude könne über Gott denken, was er wolle. Es sei ja sowieso nicht möglich, Gott mit dem menschlichen Verstand zu erfassen, und deshalb auch egal, was einzelne Menschen von ihm dächten. Wichtig sei allein, sich an die Weisungen Gottes zu halten. Dann sei man auf dem Weg, der ihm gefalle.

Eine interessante Antwort, vor allem unter dem Hintergrund, dass man sich kein Bild von Gott machen soll, wie es schon in den zehn Geboten heißt. Bei den Juden geht es sogar soweit, dass sie  so eine große Ehrfurcht vor dem Geheimnis Gottes haben, dass sie es nicht einmal wagen seinen Namen auszusprechen. Statt YHWH sagen sie einfach „der Herr“.  Wir Christen sind da weniger zurückhaltend, viele Theologen haben schon versucht, Gott möglichst exakt zu definieren. Doch lässt sich das Wesen Gottes wirklich so einfach mit dem Instrument des analytischen Verstandes erkennen?

Von dem großen Kirchenlehrer Augustinus wird erzählt, er habe einmal Tage und Nächte über das Geheimnis der Dreifaltigkeit nachgedacht. Er kam jedoch zu keinem vernünftigen Ergebnis. Und so machte er ganz erschöpft eine Pause und ging am Meer spazieren. Da sieht er einen kleinen Jungen, wie er mit dem Sand am Strand spielte. Der Junge hat eine Kuhle in den Sand gebuddelt; in der rechten Hand hält er eine Muschel. Augustinus fragte ihn ,was er denn mit der Muschel vorhabe. Der Junge antwortete: „Ich will das Meer in meine Grube schöpfen.“ Augustinus lachte darüber; doch dann – so erzählt man – wird ihm auf einmal bewusst: Dass ist doch genau seine Situation! Ist es nicht das Gleiche, wenn er meint, mit seinem begrenzten Verstand den unendlichen Gott erfassen zu können?

Mir erscheint mein Wissen über Gott auch so ähnlich wie eine kleine schwimmende Insel in einem unendlichen Ozean. Ist Gott dann doch der völlig Unbekannte ? Nun, ich denke, man sollte nicht über Gott reden wie über einen völlig Unbekannten, denn in dieser Form würde er sich tatsächlich jeder menschlichen Vorstellung entziehen. Der erste Name Gottes, den Mose aus dem brennenden Dornbusch erfuhr, lautet YHWH, was so viel heisst, wie: „Ich bin bei euch!“. Wir können also von Gott reden im Hinblick auf seine Beziehung zu uns. Denn obwohl das Geheimnis Gottes unsere Fassungskraft sprengt, ist er uns doch nahe. Dieser Gedanke steht auch im Mittelpunkt des heutigen Festes. Es geht beim Fest TRINITATIS um die Feier unserer Gemeinschaft mit Gott. Gott ist in Beziehung zu uns getreten. Er ist nicht der ferne, unfassbare Gott geblieben. All seine Namen sind Beziehungsnamen, sind Bilder, die eine Beziehung ausdrücken. So gesehen, kann man auch schon Kindern das große Geheimnis der Dreifaltigkeit erklären. Gott als Vater, das ist der Gott über uns! Unser Schöpfer, von dem wir kommen und zu dem wir gehen. Gott als Sohn – das ist der Gott mit uns! Jesus Christus, unser Bruder, der in unsere Welt gekommen ist und mit uns den Weg der Menschen gegangen ist. Und schließlich Gott als Heiliger Geist – das ist der Gott in uns! Gottes Kraft und Liebe in unserem Herzen. Alle drei sind ein und derselbe Gott. Es ist wahr, wir können Gott mit unserem Verstand nicht begreifen; aber wir habe eine Beziehung zu ihm. Und diese Beziehung ist für das Gelingen unseres Lebens die wichtigste, denn sie bleibt auch jenseits der Grenze unseres Leben bestehen. Sich ein Bild von Gott zu machen, wird vermutlich immer ein schwieriges Unterfangen bleiben, denn Gott wird sich immer als der ganz Andere zeigen. So vielfältig, wie die Gottesbilder zu Beginn unseres Gottesdienstes, so wird ein jeder und eine jede von uns hier in der Johanniskirche auch ein anderes Gottesbild haben. Sehr sympathisch ist mir in diesem Zusammenhang eine Äußerung des jungen Theologen Joseph Ratzinger – heute Papst Benedikt XVI. Auf die Frage, welcher denn der beste Weg zu Gott sei bzw. welchen Weg es denn überhaupt gibt, hat er einmal gesagt: Es gibt so viele Wege zu Gott wie es Menschen auf der Welt gibt.  Ich denke, hier trifft auch das Bild von Gott, als dem ganz Anderen.

Gott zeigt sich nicht selten ganz anders, als wir Menschen uns das vorstellen. Eine Erfahrung, die auch schon die Menschen in der Bibel immer wieder aufs Neue machen mussten, ja bis hin zu den Pharisäern, die meinten zu wissen wie Gott ist oder zu sein hat und die Jesus mit seinen Gleichnissen eines besseren belehrt hat. Ich erinnere nur an die Gleichnisse vom verlorenen Sohn oder dem barmherzigen Samariter. Wie hätten die Pharisäer nach ihrem Gottesbild gehandelt und wie hat uns Jesus dann das wahre Gottesbild gezeigt. Gott als der ganz Andere.

Zum Abschluss möchte ich das Gesagte noch einmal mit dem Kreuzzeichen, dem Erkennungszeichen der Christen zusammenfassen, das wir im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes machen.

Das Kreuzzeichen beginnt: „Im Namen des Vaters“. Dabei weist die Hand nach oben. Gott ist mein Vater im Himmel. Er ist mein Schöpfer, mein Anfang, mein Ursprung. Er will, dass es mich gibt. Das Kreuzzeichen geht weiter: „Im Namen des Sohnes“. Dabei zeigt die Hand nach unten. Gott ist zu uns herabgestiegen. In Jesus ist er unser Bruder geworden und hat unser menschliches Schicksal geteilt. Und: „Im Namen des heiligen Geistes“. Die Hand geht von Schulter zu Schulter, ihre Bewegung umfängt mich ganz. Gott steht mir bei in der Kraft seines Geistes. Er ist bei mir als die Kraft von oben, die in mir ist. Der Name Gottes sagt aus, was er wirklich ist: Er ist bei mir – als Schöpfer , als mein Bruder und als die Kraft seiner Liebe in meinem Herzen!

Amen