Predigt Oktober 2011

Gottesdienst am 16.10.2011

Predigt zu Markus 10, 13-16

Liebe Queergemeinde,

den eben gehörten Text kommt euch sicher allen bekannt. Bei jeder Taufe wird er gelesen, man bezeichnet ihn gerne als „Kinderevangelium“.

Es werden wohl Mütter und Väter gewesen sein, die ihre Kinder zu Jesus brachten. Jesus war auf dem Weg nach Jerusalem, hatte Rast in einem der Orte des Landes Juda gemacht. Die Leute wollten ihn sehen und hören, denn sein Ruf als einzigartiger Prediger, Heiler und Prophet Gottes war ihm vorausgeeilt. Kindersegnungen mit Handauflegungen waren im Judentum üblich. Um sich segnen zu lassen gingen Kinder zu ihren Vätern, aber auch zu berühmten Rabbinen.

Jesu Jünger versperrten ihnen aber den Weg und fuhren sie an, sie sollen verschwinden. Warum taten die Jünger das? Wollten sie ihrem Meister Ruhe gönnen? Wollten sie einer Rede Jesu zuhören und dachten sich: Die Kinder werden bestimmt Lärm machen, nur stören und man wird kein Wort verstehen. Die Jünger fieberten den Anbruch der Gottesherrschaft entgegen und Jesus ist die Schlüsselfigur darin. Da belästigt man ihn doch nicht mit Routineaufgaben eines Rabbi. Er ist mehr als ein Rabbi und mehr als ein Prophet. Da Kinder zu dieser Zeit nicht viel galten, müssen die Jünger es wohl als Zeitverschwendung angesehen haben, sich mit ihnen abzugeben.

Aber bei Jesus ist natürlich mal wieder alles anders. Als er mitbekommt, dass seine Anhänger versuchen die Kinder loszuwerden wird er wütend. Er weist sie zurecht und sagt: „Lasst die Kinder zu mir kommen!“. Und er setzt noch eins darauf: „Denn solchen Menschen steht Gottes neue Welt offen. Hört mal, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht wie ein Kind empfängt, der wird nicht hineinkommen. Also, schickt gerade sie zu mir!“

Die Jünger werden wohl lange Gesichter gezogen haben. Jesus wertete die Kinder gewaltig auf. Ihnen gilt Gottes gute Nachricht von Menschen allen Alters zuerst! Und dann breitete Jesus seine Arme aus und segnete die Kinder. Und in der Geste der Umarmung wird deutlich: Jesus wendet sich den Kindern zu, bricht mit aller Distanz, auch mit den gesellschaftlichen Konventionen seiner Zeit.

Es ist schon spannend: Gerade die Kinder will Jesus bei sich haben, sie segnet er und ihnen, die auch mal seine Rede stören und Unruhe verbreiten, spricht er die  zu, wenn es um Gottes Reich geht. Er schätz die Offenheit und Neugierde der Kinder. Jesus sagt zu uns Erwachsenen: Die Offenheit der Kinder ist das was ich von euch erwarte. Werdet wie die Kinder – lass euch mitnehmen und denkt nicht daran, was ihr bekommen werdet.

Wer in Gottes neue Welt hineinkommen will, der kann das nicht anders tun als ein Kind. Das ist der einzige Weg – völlig ohne Argwohn oder Zweifel es annehmen: Du darfst so kommen, wie du bist! Du brauchst nichts dazu zu tun. So, wie die kleinen Kinder gleich den Segen empfangen und rein gar nichts dazu tun. Das können wir bei den Kindern lernen! Uns die Liebe gefallen lassen ohne immer gleich daran zu denken: Was müssen wir denn jetzt tun? Kinder nehmen ohne Bedenken! Sie sind unmittelbar und unverblümt. Da wird nicht taktiert und hinten herum geplant. Kinder denken nicht abwägend und sie kennen offenbar keine Hintergedanken. Eigenschaften die mit dem Älterwerden leider verloren gehen. Aber was wäre das für ein Miteinander, wenn mehr Menschen so wären wie die Kinder!

Denn Kinder leben ganz in der Gegenwart - und das ist die einzig gesunde Haltung zum Leben. Durch sie werden wir Erwachsenen immer wieder daran erinnert, was Leben heißt: Ganz in der Gegenwart zu sein und die Vergangenheit nie zu groß werden lassen. Und ebenso: Seid darin ganz gewiss, für die Zukunft ist gesorgt.

Der Segen hat in dieser Geschichte eine ganz große Bedeutung. Es ist die einzige Bibelstelle, die davon berichtet, dass Jesus gesegnet habe.

Bei uns werden nicht nur die Kinder gesegnet, sondern wie es schon zu allen Zeiten im Volk Israel und der Kirche gewesen ist, alle Menschen. Doch was bedeutet Segen eigentlich, wozu soll das gut sein? Hören wir, wie Segen in der Bibel verwendet wird und wie er da verstanden wird:

Im Alten Testament wird Segen zumeist als das, was unser Leben reich und schön macht verstanden: Kinder, fruchtbare Äcker und reiche Ernten oder ein hohes Lebensalter gelten als Segnungen. (Nun, Kinder haben scheidet bei den meisten von uns Schwulen und Lesben aus. Mit dem Alter ist das auch so eine problematische Sache in einer Szene, in der Jugend und faltenfreie Gesichter sehr viel zählen, um überhaupt beachtet zu werden.)

Im Neuen Testament ist Segen zum Beispiel die heilende Kraft, die von Jesus Christus ausgeht. Doch mehr noch:

  • Christus segnet Brot als das Grundnahrungsmittel schlechthin (z.B. Lk 9,16)
  • Er sendet seine Jünger aus, zu heilen (Lk 9,2)
  • Paulus segnet die römische Gemeinde mit der Fülle des Segens Jesu Christi (Röm 15,20)
  • Uns fordert Christus auf, sogar die zu segnen, die uns schlecht gesinnt sind (Lk 6,28)

Unser deutsches Wort „segnen“ hat sogar eine christliche Herkunft: es kommt vom lateinischen , „das Kreuz zeichnen“, denn in der Kirche war es schon ganz früh Brauch, den Segen mit dem Kreuzzeichen zu verbinden – noch bevor es in unserer Sprache ein Wort dafür gab.

Wir – in unserer heutigen Zeit – können uns als gesegnet bezeichnen, wenn wir zum Beispiel  gesund sind, eine Arbeit haben oder wenn wir nicht mehr arbeiten, von einer anständigen Rente leben können; eine Partnerin oder Partner haben. Aber auch wenn wir von unserer Familie und unserem privaten wie beruflichen Umfeld so akzeptiert werden wie wir sind: lesbisch, schwul, bi, transsexuell.

Aber an der Kindersegnung Jesu, der sie davor noch umarmt, sehen wir, das Segen vor allem eines ist:  Segen ist der Wunsch alles Guten und wird im Namen des dreieinigen Gottes ausgesprochen.

Segen heißt,  und : Wir können Gott für alle Bewahrung danken. Zugleich heißt Segen, dass der Segnende und Gott in Beziehung treten, der Segen Gottes durch den Segnenden weitergereicht wird. Sich selbst kann man nicht segnen, sondern nur aus dem Schatz der Liebe Gottes an andere weiterschenken. Gottes Segen ist die Bekräftigung seiner Nähe und Zugewandtheit. Wenn wir Gottes Segen lebendige Kraft nicht nur in unserem Leben sein lassen, werden wir uns verändern – denn unser Leben wird gesegnet sein.

Amen.