Predigt August 2015 (CSD-Gottesdienst)

CSD-Gottesdienst am 2. August 2015, St. Jakob Nürnberg

„Nürnberg hält zusammen“

Predigt zu 1. Korinther 12,4-13.20-26

Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen.

„Nürnberg hält zusammen“ ist also das Motto des diesjährigen Christopher Street Days. „Nürnberg hält zusammen“ – für was eigentlich? Diese Frage hat sich nicht nur das Vorbereitungsteam für diesen Gottesdienst gestellt, sondern – wie ich auch mitbekommen habe – Vereine wie Fliederlich, die zum Programm und der Gestaltung des CSD beigetragen haben. Diese Nuss galt es zunächst zu knacken. Mit Hilfe einer Erläuterung durch den organisierenden CSD-Verein und natürlich durch lange und tiefgründige Überlegungen unsererseits gelang uns das natürlich.

Und dies führte uns zu dem gerade verlesenen Predigttext aus dem ersten Brief des Apostel Paulus an die Korinther: Viele Gaben – ein Geist, viele Glieder – ein Leib. Wir haben alle verschiedene Gaben, die uns Gott geschenkt hat, aber sie stammen alle von ein und demselben Gott. Wir haben unterschiedliche Aufgaben in der Gemeinde, sie kommen aber alle von dem einen Herr. Es gibt verschiedene Wirkungen des Heiligen Geistes, aber nur einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Wie auch immer sich die Gaben des Heiligen Geistes bei jedem einzelnen von uns zeigen, sie sind zum Nutzen der ganzen Gemeinde.

Nun, liebe CSD-Gottesdienstgemeinde, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass einige von euch sagen, also einiges, was Paulus an Gaben da aufzählt, sind ganz bestimmt nicht meine. ‚Ich würde mir bestimmt nicht anmaßen den Willen Gottes durch den Heiligen Geist zu erkennen; Wundertaten kann ich nicht vollbringen, auch wenn mein Arbeitgeber das von mir verlangt; unter die Propheten bin ich auch nicht gegangen; und Geistesoffenbarungen vermag ich auch nicht zu deuten oder zu unterscheiden.’ Ein Mediziner mag unter sein, der Kranke heilt. Dabei muss man kein Arzt sein, um zum Heilungsprozess einer kranken Person beizutragen. Oft habe ich Menschen beten hören: „Gott, sprich ein heilsames Wort.“ Und Gott wirkt durch den Heiligen Geist und durch diejenigen Menschen, die sich zu einem kranken oder gekränkten Menschen wenden und ein tröstendes und heilsames Wort sprechen. In solchen und anderen Situationen hat Gott der einen oder dem anderen im rechten Moment das richtige Wort geschenkt, was in der vorliegenden Bibelübersetzung als „dem einen wird durch den Geist gegeben, von der Weisheit zu reden“ wiedergegeben wird.

‚Von den Wundern Jesu ist berichtet, aber ich kann doch kein Wunder tun.’ Ich alleine sicherlich nicht. Aber schließt man sich mit anderen Menschen zusammen, mit vielen Menschen, um ein Ziel zu erreichen, kann es doch passieren, dass dieses für beinahe unmöglich geglaubte Vorhaben am Ende doch erfüllt wird. Es lohnt sich also zusammenzuhalten – in Nürnberg und woanders.

Manche sprechen aus, was Gott ihnen zeigt oder sagt. Es ist sicherlich keine klassische Prophezeiung, wenn unsere Mitmenschen von ihrer Lebensgeschichte, ihren Erlebnissen, Erfahrungen, Einsichten und Schlussfolgerungen erzählen. In Problemlagen, Angst und Bedrohungen erklärt sich für die meisten erst hinterher, wie Gott sie durch diesen steinigen, beschwerlichen oder schlecht erkennbaren Weg begleitet und beschützt hat. Doch können wir aus diesen Erfahrungen und Erkenntnissen nicht auch für die Zukunft lernen? Schließlich haben einige von uns ein oder zwei Diktaturen, den Krieg und die Verfolgung von Homosexuellen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts erlebt. Der CSD-Verein hat mit dem Motto „Nürnberg hält zusammen“ das Kampagnenmotto der Stadt Nürnberg übernommen, als es darum ging, dass Nürnberg auch Ort von Demonstrationen von Rechten werden würde. Dem Verein war völlig klar, sie müssen ein Zeichen der Solidarität setzen. Denn rechtes Gedankengut richtet sich anfangs gegen Menschen mit Migrationshintergrund und letztlich gegen Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen. Kurz nach der Entscheidung für dieses Solidaritäts-Motto, waren auch wir LGBTTIQ* plötzlich Gegenstand von Demonstrationen. Auf einmal diskutierte die AfD gegen uns und die „Besorgten Eltern“ schlossen sich PEGIDA an. – Wenn angefangen wird eine Gruppe zu diskriminieren, bleibt es nicht bei dieser einen Gruppe. Setzt man sich nicht für die Ausgegrenzten ein, gibt es dann irgendwann auch niemanden mehr, der sich für uns einsetzt. Denn alle Gruppen, bei denen wir es unterlassen haben ihnen beizustehen, sind dann auch nicht mehr in der Lage uns zu helfen. Diese Erkenntnis, die der von den Nazis verfolgte Pfarrer Martin Niemöller einmal so treffend formuliert hat und sogar an Mahnmalen im Ausland angebracht ist, muss man sich von Zeit zu Zeit ins Gedächtnis rufen und man ist in der Lage die Entwicklung zu aktuellen Ereignissen zu prophezeien.

Nutzen wir also die Buntheit unserer Gaben, die der eine Geist uns allen schenkt. Gottes Geist der Liebe bewirkt die verschiedenen Gaben: Die Gabe der Solidarität, die Gabe der Gemeinschaft, die Gabe der Wertschätzung und des Respekts, die Gabe der Dankbarkeit für die Vielfalt der Menschen, die Gabe der Annahme und die Gabe des Anpackens. Ja, Gottes Geist wird erst sichtbar in den Geistesgaben, durch die Menschen zusammen agieren. Wir Christen und Christinnen glauben, dass jeder Mensch ein geliebtes Geschöpf Gottes ist und gleichermaßen das Recht auf ein gutes und friedliches Leben hat. Deswegen darf es uns nicht egal sein, was mit den vielen Flüchtlingen, die nach Europa und zu uns nach Deutschland kommen, passiert. Populistische und polemische Argumentationen gegen Asylsuchende spielt nur denen in die Hände, von denen wir uns zu Recht abgrenzen. Diese Leute denken nur in schwarz-weiß oder sind ansonsten nur kleine, unscheinbare graue Mäuse. – Weder schwarz noch grau sind übrigens bei unseren Luftballons vertreten. Und der große weiße Luftballon mit der Aufschrift „Gottes guter Geist der Liebe“ ist natürlich der wichtigste Geist, der alles zusammenfasst, wie weiß die Summe aller Farben ist.

Betrachten wir Paulus Aussagen zu den vielen Gliedern eines Leibes:

„So wie unser Leib aus vielen Gliedern besteht und diese Glieder einen Leib bilden, so besteht auch die Gemeinde Christi aus vielen Gliedern und ist doch ein einziger Leib. Wir alle haben denselben Geist empfangen und gehören darum durch die Taufe zu dem einen Leib Christi, ganz gleich welcher Herkunft; alle sind mit dem gleichen Geist erfüllt.“

Paulus führt weiter aus, dass ein Körperteil auf das andere angewiesen ist und gerade die Glieder, die uns schwach und unbedeutend erscheinen, besonders wichtig sind. Will heißen, wir sollen die Menschen an unserer Arbeitsstelle, im Verein, in der Gemeinde usw., die uns nicht so wichtig erscheinen oder wir gar als „schwaches Glied“ wahrnehmen, nicht unterschätzen und ihnen mehr Bedeutung beimessen. Sie sind wichtig – manche Arbeiten werden vielleicht einfach nicht wahrgenommen, weil sie so selbstverständlich erscheinen, aber den Laden am laufen halten. Ich zumindest möchte mich nicht mit elektronischen Benutzeranträgen für IT-Berechtigungen, mit Materialbestellungen, Hotel- und Dienstkraftwagen-Reservierungen herumschlagen. „Gott hat den Leib zusammengefügt und dem geringeren Glied höhere Ehre gegeben, damit im Leib keine Spaltung sei, sondern die Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen.“ Es ist somit kein karitatives Verhalten oder „Gutmenschentum“ Menschen mit vermeintlich oder tatsächlich geringeren Leistungen oder Aufgaben in eine Gemeinschaft oder Arbeitsstelle zu integrieren und ihnen die gleichen Rechte zu gewähren.

„Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“ – Ich finde, das ist noch zu wenig praktiziert in unserer Welt. An erster Stelle denke ich an unsere von Konkurrenzdenken geprägte Arbeitswelt. Dort und woanders wünschen wir uns, dass „Nürnberg“ in Gottes Geist zusammen hält, da dies der Geist ist, der das Gute im Leben wirkt. Das bedeutet auch, gemeinsames Tun ist nötig, denn wenn ein Glied leidet, durch das ich ja im Geist verbunden bin, leiden alle Glieder mit: Sei es im Europäischen Forum, die Übernahme einer Essenpatenschaft oder dass ich Fremden auf Augenhöhe begegne und mit gemeinsamen Tun die Fremdheit überwinde.

Lasst uns unsere vielfältigen Gaben, die hier so schön durch die bunten Luftballons dargestellt sind, einsetzen, damit Nürnberg zusammenhält für: Mehr Toleranz, LGBTTIQ*-Rechte, dass Menschen mit verschiedenen Hintergründen sich treffen, um konkret etwas auf die Beine zu stellen. Dafür, dass alle gestärkt und neugierig auf Fremde und Fremdes zugehen. Dafür, dass ich und alle anderen in unserer Gesellschaft und unseren Kirchen gleich wertvoll sind, egal wen ich liebe und wer ich bin.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.