Predigt März 2009

Predigt für den Queergottesdienst am 15. März 2009

Predigt zu Lukas 9, 57 – 62, Keine Faulen Ausreden, bitte!

Vor einem Jahr hat mich ein Arbeitskollege gefragt, ob ich nicht mal zu ihm zu Besuch kommen wolle, zum Abendessen.

„Ja, natürlich, gerne“ habe ich geantwortet, „aber momentan ist es schlecht, weil ich erst noch meine Prüfungen hinter mich bringen will. Dann können wir das gerne machen.“

Die Prüfungen sind vergangen und der Kollege hat mich nicht mehr darauf angesprochen. Mir war das sehr recht, weil ich an einem privaten Kontakt mit dem Kollegen sowieso kein Interesse hatte. Die Prüfungen waren nur eine faule Ausrede.

Kennt ihr das? Du fragst einmal, es klappt nicht, dann fragst du noch ein zweites Mal und dann…? Lässt du´s bleiben – oder versuchst du es nochmal?

Jesus fragt im gehörten Evangelium nur einmal – und er hört ganz viele Ausreden.

Doch: Sind es wirklich Ausreden?

Als wir im Vorbereitungsteam über den Text gesprochen haben, hat er uns erstmal empört:

- Ist es nicht berechtigt, oder sogar selbstverständlich, den verstorbenen eigenen Vater zu begraben? Ist es nicht vielmehr eine Zumutung von Jesus, dass man bei der Beerdigung des eigenen Vaters nicht dabei sein soll! Das widerspricht dem 4. Gebot: Du sollst deine Eltern ehren. Das ist doch typisch übertrieben radikal!

- Und ist es nicht selbstverständlich, sich von der Familie zu verabschieden? In einigen fundamentalistischen Sekten ist es üblich, den Kontakt zur Familie radikal abzubrechen.

Sowas braucht doch kein Mensch, oder? Ich kann die Beterin gut verstehen, die da abwinkt und empört die Kirche verlässt.

Sogesehen sind es keine Ausreden, die die Menschen vorbringen, sondern berechtigte Gründe, warum es nicht geht. Und diese berechtigten Gründe gibt es. Manches geht eben nicht, weil etwas anderes ansteht und wichtiger ist.

Aber: Jesus kennt die Menschen, die er vor sich hat. Gott weiß – noch dazu in unserer Vorstellung vom liebenden Vater oder der liebenden Mutter –, was sie einem Menschen zumuten kann. Hätte Gottes Geist einen Menschen, der aus guten Gründen nicht folgen kann, überhaupt angesprochen? Nein. Gott hätte dann eine andere Aufgabe gegeben. 

Wahrscheinlich waren es genau die Richtigen, die Jesus angesprochen hat, die eben die Toten oder die Familie nur als Ausrede vorschieben, mit der sie sich vor ihrem eigentlichen Auftrag drücken wollen. Denn warum sind sie denn Jesus begegnet, warum sind sie überhaupt zu ihm auf die Straße gekommen? Das allein zeigt doch, dass sie auf der Suche nach etwas Neuem waren!

Und der tote Vater kann symbolisch betrachtet auch für das Alte und Vergangene stehen, das es gilt hinter sich zu lassen. Wenn etwas Neues kommen soll, dann muss Altes losgelassen werden. Das kann zunächst schmerzhaft sein. Jesus fordert uns hier auf: „Probier es! Lass das Tote hinter dir und traue dir etwas Neues zu!“

Aber, sofort, kurz nach der Erkenntnis, etwas Neues wagen zu müssen, stehen sie bereit, die vielen Ausreden und Aber-Geister und quasseln einem ins Ohr. Und dann heißt es zum Beispiel:

Natürlich müsste ich mein Coming-out in der Familie wagen. Aber die Oma! Die überlebt das nicht, wenn sie das hört. Ich warte bis die Oma gestorben ist, dann sag ich´s meiner Familie!

Oder: Natürlich müsste ich meiner Partnerin sagen, dass mir dies und das nicht gefällt in unserer Beziehung, aber dann streiten wir uns bestimmt ganz furchtbar. Oh nein, ich sag lieber nichts.

Oder: Eigentlich würde ich mich beruflich gerne verändern. Aber dazu müsste ich erst den Abschluss nachholen. Das wird bestimmt viel Arbeit und ob ich das überhaupt schaffe?

Oder: Eigentlich müsste ich ja mal wieder Sport machen. Du weißt schon, der Winterspeck.

Aber wenn es draußen dauernd regnet, da jagt man doch keinen Hund vor die Tür, geschweige denn zum Joggen zu gehen. Da werd ich ja nass!

Oder: Eigentlich wollte ich ja mal wieder was für meine Gottesbeziehung tun, also mal wieder in die Kirche gehen, oder so. Aber bringt mir das eigentlich etwas? Gibt es Gott überhaupt?

Es gibt immer wieder ganz viele Ängste, Vorwände und Ausreden, die mich von dem abhalten wollen, was ich eigentlich als richtig erkannt habe.

In so einer Situation stelle mir einen Jesus vor, der oder die vor mir steht, mich liebevoll anlächelt und ganz genau um den riesigen inneren Schweinehund weiß, der mir den Weg verstellt. Und Jesus ruft trotzdem: Komm! Versuch es! Trau dich!

Trau dich, auch wenn du dich nicht traust!

Trau dich, auch wenn deine Verwandten und Freunde sich über dich lustig machen. Kümmer dich einfach nicht drum! Geh einfach nicht hin. Erzähle ihnen nicht davon, solange sie dich von deinem Weg zum Leben abhalten.

Der Philosoph Albert Camus sagt in einem Buch sehr treffend: „Am Anfang jeder großen Sache, steht etwas Lächerliches!“

Genau das mutet Gott uns zu: Er oder sie fordert uns auf, den eigenen Weg zu gehen, auch wenn ihn Andere lächerlich finden. Civilcourage besteht darin, es trotzdem zu tun.

Dabei enthält dieses „Folge mir nach“ noch einen wichtigen Aspekt, den wir nicht unterschlagen dürfen: Der Ruf „Folge mir nach“ enthält auch das Versprechen Jesu, dass er mitgeht. Folge mir nach heißt: Verbinde dich mit mir und alles was du brauchst, wird dir dazugeschenkt. Vertrau mir!

Ich habe vor kurzem eine Frau getroffen, die mit einer unglaublichen Energie eine riesige Aufgabe stemmt. Ich habe mich gefragt, wie die das schafft, woher sie den Mut nimmt?

Als ich mich länger mit ihr unterhalten habe, wurde mir klar: Sie betet mindestens eine Stunde am Tag im kontemplativen Gebet.

Wer sich an Gott festmacht und auf seine Hilfe vertraut, bekommt im richtigen Moment, was er oder sie braucht. Einfach ist es trotzdem nicht.

Deshalb möchte ich zum Abschluss noch eine Geschichteerzählen:

Ein Junge spielte auf der einen Seite eines Baches. Diese Seite kannte er schon in und auswendig. Da blickte er auf die andere Seite des Baches und sah dort viele schöne bunte Blumen, die es auf seiner Seite nicht gab.

Aber der Bach war tief und fast ein bisschen zu breit, um darüber zu springen. Der Junge wusste, dass er es mit etwas Glück schaffen könnte. Aber er traute sich nicht.

Deshalb spielte er weiter auf seiner Seite des Baches. Doch irgendwie lies ihn die Sehnsucht nach der anderen Seite nicht mehr los. Er hasste sich für seine Feigheit.

Eines Tages stand er traurig wieder an seiner Seite des Baches. Da nahm er seine Mütze ab, seine geliebte Kappe, und warf sie auf die andere Seite des Baches – mitten hinein in die schönen Blumen.

Und weil er seine Mütze wiederhaben wollte, holte er Anlauf und sprang – mit einem großen Satz – auf die andere Seite des Baches. Es war gar nicht mal so schwer.

So wünsche ich euch und mir, dass wir den Mut haben, die Mütze vorauszuwerfen, weil Gott mit uns über den Bach springt. Amen. 

Amen