Predigt Januar 2011

Queergottesdienst am 16. Januar 2011

 

Predigt zu Apostelgeschichte 8,26-39

 

Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen.

 

„Duu, ich hädd' amol a Fraache! Du gehst doch immer in diesen Queergoddesdiensd – was isn des eichendlich? Warum gehsdn du da hin? Glaabsd du werggli an Gott und Jesus und des alles?“

Was würden wir tun oder sagen, wenn uns jemand nach unserem Glauben fragt?

 

1. Petrus 3, 15: "Seid jederzeit bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der euch auffordert, Auskunft über die Hoffnung zu geben, die euch erfüllt."

 

Solche Fragen an mich und meinen Glauben können gut auch einen spöttischen oder ironischen Unterton haben. Trotzdem sind es Fragen, die keinen kalt lassen: es steckt auch beim ironischen Frager sein eigenes Suchen und Fragen irgendwo dahinter, nach der Wahrheit, nach dem Sinn des Lebens, wie auch immer.

Ein schneller Blick aus dem Fenster des Reisewagens: nein, da läuft kein Philippus neben der Kutsche her. Schade. Ich bin gefragt.

 

Der äthiopische Finanzminister hatte wirklich Fragen über Gott und den Glauben. Er war extra von Äthiopien bis nach Jerusalem gefahren, um den Gott der Israeliten anzubeten. Als Eunuch – das wird im ursprünglichen Text mehrmals betont – durfte er dabei nur den Vorhof des Tempels betreten und war vom Gottesdienst ausgeschlossen. Trotzdem hat er versucht, etwas herauszufinden über diesen rätselhaften Gott.

 

In meiner hyperfrommen, evangelikalen Kindheit war das so ziemlich die Königsdisziplin des Glaubens an Jesus: Gefragt werden, Zeugnis ablegen und dazu beitragen dürfen, dass sich jemand „bekehrt“, dass sich jemand taufen lässt.

Aber was heißt das eigentlich, Zeugnis ablegen? Ein Zeuge bei Gericht bezeugt etwas, was er selbst gesehen und gehört hat. Ich glaube nicht, dass es Philippus' logisch und theologisch schlüssige Darstellung des göttlichen Erlösungsmechanismus war, die den Finanzminister überzeugt hat. Ich glaube, es war das, was Philippus erzählt hat von seiner Begegnung mit Jesus, und was sich durch diesem Mann geändert hat in seinem Leben. Und – damit konnte der Finanzminister offenbar was anfangen.

 

Was hätte ich zu berichten? Mit welchen Sätzen ließe sich der Kern meines Glaubens beschreiben?

Also nicht: Welche Erleuchtung brauche ich noch? Sondern: Wo leuchtet es bei mir?

 

3 Fragen, um dem auf die Spur zu kommen:

 

1. Wie war das, als ich zum Glauben gekommen bin? Als ich gemerkt habe, dass dieser Gott wichtig für mich und mein Leben ist – was war der Grund dafür? Vielleicht ist das lange her. Vielleicht war es eine bewußte Entscheidung, oder Gott hat sich einfach in mein Leben hineingeschlichen, und irgendwann habe ich gemerkt: ich will nicht mehr ohne. Ein bißchen, wie wenn man sich verliebt – diesen Moment merkt man sich.

Und dieser Moment war bei jeder und jedem von uns wohl etwas anders.

 

Ich wüsste sehr gerne, was Philippus dem Finanzminister erzählt hat, was ihn an Jesus am meisten fasziniert und beeindruckt hat damals.

 

Ich kenne einen, für den war es Jesu Aufforderung: „Sorgt euch nicht um den morgigen Tag!“ Er wollte genau das: sich nicht sorgen. Deshalb hat er beschlossen, sich ganz auf Gott zu verlassen.

 

Silvia sagt, Jesus zeigt ihr, was wirklich wichtig ist im Leben, also z.B. Liebe statt Geld, Menschen statt Reichtum oder Karriere… In Jesus Christus ist für sie Licht und Liebe und Hoffnung in unsere Welt gekommen, er hat uns Gott nahe gebracht.

 

Bei mir war es der Wunsch, nicht alleine zu sein in meinen Problemen – und Gott versprach mir: ich bin jeden Tag bis ans Ende der Welt bei dir, nichts kann dich von meiner Liebe trennen.

 

* Gott ist ganz nah und ganz da. Durch Jesus wissen wir, dass wir kein Medium brauchen, um mit Gott in Kontakt zu treten - kein Räucherstäbchen, Opfer, Geld Sonstiges.

* Angenommen sein von Gott, so wie ich bin. Mit allen Ängsten, Schwächen und Problemen. Auch mit meinem Queer-sein: Schwul, lesbisch, bi, Trans, Hetero…

=>* Damit verbunden ist auch, dass Gott will, dass ich authentisch Ich bin.

 

2. Welche Fragen nach dem Glauben an Gott „zwicken“ mich besonders, wenn ich sie höre? Ist des das Argument, so ein Glauben sei doch „kindisch“?

Da, wo es uns „zwickt“, liegt ein Hinweis auf Themen, die uns besonders nahe gehen, an denen wir verwundbar sind – und Themen, an denen wir in besonderer Weise die Begleitung Gottes erleben können, wenn wir ihn lassen.

 

Bei mir ist es zum Beispiel die Aussage, sich an Gott festzuhalten sei doch nur etwas für Schwächlinge => stark sein!


3. Was habe ich mit meinem Glauben erlebt? Wo spüre ich Gott nahe? Was ist der Grund dafür, dass ich immer noch zu Gott „Ja“ sage?

Ein Grund für meinen Glauben in meiner Jugendzeit war auch: ich wollte gut sein. Das bedeutete für mich: Stark, liebevoll, perfekt, fest im Glauben und enthaltsam mit Sex bis zur Ehe.

Das hing auch mit dem Klima bei uns zu Hause zusammen, das oft von Mißtrauen und großer Spannung geprägt war. Ich dachte, Gott hilft mir, dass mein Vater erkennt: ich meine es gut. Dieser „fromme Perfektionismus“ hat mich lange begleitet. Er führte dazu, dass ich mir viele meiner Schwächen gar nicht besonders gut anschauen konnte. Statt dessen habe ich herumgekämpft und fand mich – je nachdem, wie gut es gelang – mal total bescheuert und minderwertig, mal (und das habe ich erst viel später herausgefunden) den tollsten Hecht („Wir Brügmanns sind immer ganz toll!“).

 

Heute gelingt es mir etwas besser, da nicht ständig vom Pferd zu fallen, und meinen Schwächen mit der gleichen Gelassenheit zu begegnen wie meinen Stärken.

Nicht ich trage meinen Glauben wie eine Fahne vor mir her, nein – der Glaube trägt mich, und das kann ich umso besser spüren, je besser ich mich so sein lasse wie ich bin.

 

Komischerweise funktioniert das in schwierigen Zeiten, wenn es bei mir nicht so „fluppt“, wesentlich besser, und inzwischen bin ich Gott gar nicht mehr böse über die vielen Krisen, die ich schon erlebt habe.

 

Jesus wurde weggeführt wir ein Schaf zur Schlachtbank, erniedrigt, getötet. Ausgehend von dieser eigentlich sehr bestürzenden und krisenhaften Stelle aus dem Alten Testament erklärt Philippus dem Kämmerer die ganze Geschichte mit Jesus. Erzählt ihm.

 

An Kreuz und Auferstehung kann ich sehen: Höhen und Tiefen gehören zum Leben - das ist weder gut noch schlecht, es ist einfach. Es tut gut, dies in Demut und/ oder Dankbarkeit anzunehmen.

Gott will, dass ich authentisch Ich bin.

Wie ein kleines Kind, das nicht vorgibt, jemand anders zu sein, oder so und so vorgeht, um dies und jenes zu erhalten, Wie ein Baby, dessen Leben vom ersten Moment an in Gottes Hand steht. In frohen und in schweren Zeiten.

 

Am Ende vom Predigttext lässt sich der Kämmerer taufen, weil er diesem Gott vertraut. Es ist seine eigene Idee, das gefällt mir.

Es ist sein Ja zu Gottes Ja zu ihm.

Zugleich befindet er sich damit in der Gemeinschaft aller anderen Kinder Gottes. Für ihn als Eunuchen, der auf gewisse Weise auch von der „normalen“ Gemeinschaft „abgeschnitten“ war, hatte dies vielleicht eine besondere Dimension, die wir „Unnormalen“ auch nachvollziehen können.

 

Philippus ist weg

sein Zeugnis ist noch da

der Glaube ist noch da

die Gemeinschaft ist noch da

die Freude ist noch da.